"Puzzle"

 

Wer kennt das nicht - das große Puzzle, das nach mühevoller und ausdauernder Arbeit endlich fertig ist. Der Blick auf das fertige Bild ist Belohnung für die stundenlange Suche nach dem richtigen Teil an der dafür richtigen Stelle. Der Anfang war schwer, der Weg bis zum erkennbaren Motiv lang. Zum Ende hin ging es fast schon leicht,  und die letzten Teile legten sich fast wie von selbst an ihren Platz. Jede Kleinigkeit des Bildes ist vertraut, jedes Einzelteil fügt sich endlich in die Vielzahl der Bildteile - Fertig.

 

Leider währt dieses wohlige Gefühl nicht lange. Schon nach kurzer Zeit weicht der Stolz einer fast schon lästigen Scheu, das Puzzle wieder zu zerlegen oder es im Schrank zu verstauen. Es bleibt unbeachtet liegen, und wenn es noch Aufmerksamkeit erregt, dann nur, weil es für etwas anderes im Weg liegt. Fast wehmütig erinnert man sich an die Fastination und den Reiz zurück, den es noch hatte, als hunderte Teile in der Schachtel raschelten, als wollten sie dir zuflüstern: "Los! Trau Dich! Etwas Zeit, Geduld und ein waches Auge - mehr brauchst du nicht!" Das Ende vom Lied: Das Puzzle wandert zurück in seinen Karton, in den Schrank und ist schnell vergessen.

 

Oft kommt es mir vor, als wäre mein Leben auch aus kleinen Puzzleteilen, die alle nur an ihren richtigen Platz wollen. Doch kaum ist ein Bild komplett, ein Ziel erreicht und die Mühe vorbei tritt schnell Ernüchterung ein. Dabei werden die Bilder von Mal zu Mal größer, komplexer, mit mehr gleichförmigen Teilen - es macht kaum einen Unterschied. Mir bleiben verschiedene Möglichkeiten: Entweder ich klebe mein Puzzlewerk auf, hänge es an die Wand und bestaune täglich meine dafür aufgebrachte Schaffenskraft. Oder: Ich fange ein und dasselbe Puzzle wieder von vorne an, und mit der Zeit geht es vielleicht etwas leichter von der Hand - das entstandene Bild ist aber jedes Mal dasselbe. Die dritte Möglichkeit könnte der Versuch sein, das Puzzle ganz anders zusammenzusetzen, aus denselben Teilen ein neues Bild zu erstellen - jeder weiß, wie lückenhaft, krumm und schief das Ergebnis sein wird. Oder: Ich lasse das Puzzlen einfach sein. Aber was wäre, wenn es nicht um das fertige Bild, sondern um das Puzzlen an sich ginge? Ist es nicht wie mit jedem Spiel, dass langweilig wird sobald man es zu gut kennt? Wie mit einer Reise, deren Reiz mit der Anunft am Zielort verblasst? Wie Weihnachten und sein warmes Gefühl, welches eigentlich aus der Vorfreude darauf besteht?

 

Das Leben ist ein Spiel. Das Leben ist eine Reise. Das Leben ist Vorfreude auf das, was kommt. Das Leben ist ein Puzzle. Es bietet täglich neue Motive mit neuen Teilen, deren Bild man erst sieht, wenn man die Kleinen Zähne an der richtigen Stelle verbunden hat. Mit einem Unterschied: Das Leben hat keinen Rand. Es geht immer weiter, mit neuen Anlegemöglichkeiten, neuen Blickwinkeln, neuen Kontakten, neuen Optionen. Es ist dasselbe große Bild, das täglich größer wird und mehr von Deinen Facetten zusammenhält. Klebe es nicht auf, um es still und wehmütig zu bestaunen. Wiederhole nicht ein und dasselbe Motiv immer wieder mit demselben ernüchternden Ergebnis. Versuche nicht, neue Plätze für bereits Passendes zu suchen - es würden nur sichtbare Lücken entstehen. Und hör niemals damit auf. Leg immer weiter an. Greife die neuen Puzzleteile, die auf dem Weg für Dich liegen. Sie werden passen - wenn nicht jetzt, dann vielleicht an anderer Stelle oder etwas später. Es ist Dein eigenes und einzigartiges Bild, das Dir zuflüstert: "Los! Trau Dich! Etwas Zeit, Geduld und ein waches Auge - mehr brauchst du nicht!"

Daniel Hinz

Coaching & Supervision

In der Schnette 66

32609 Hüllhorst

0173-2730585

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